Biografische Notizen
von Helmut Lingg
Ich bin ein Kurpfälzer aus
der Nähe von Heidelberg. Die
Lebensfreude und reiche Phantasie habe
ich von meiner Mutter, einer
Weingutsbesitzerstochter aus Neustadt an
der Weinstraße, die Ausdauer und den Fleiß
von meinem Vater, dem ältesten von fünf
Buben eines badischen Briefträgers.
Bis zum Abitur im Februar 1941 habe ich
schon große Radtouren mit meinem Freund
nach München. Innsbruck und dem
Süddeutschen Raum gemacht, und dabei den
Grundstock zum Reisen und der Natur
gelegt.
Von 1941 bis
zum August 1948 ist die einschneidendste
Zäsur meines Lebens.
3 1/2 Jahre an der Ostfront bei
großer Hitze im Sommer, eisigen Wintern
und vielfachen Todesgefahren. Ängsten
und Entbehrungen, eine schwere
Verwundung, gehen an einem Leben genauso
wenig vorbei wie die anschließende 3
l/2-jährige russische
Kriegsgefangenschaft.
Dabei wird man an die Grenzen der
menschlichen Existenz geführt. Hunger,
Tod, Kälte, Torturen aller geistigen und
körperlichen Arten, sind in meinen
Arbeiten bis auf den heutigen Tag
mitbestimmend geblieben.
So auf einem seidenen Faden des Lebens
ballancierend schärft sich das Auge und
der Verstand. Die gesamte Umwelt bis ins
kleinste Detail wird bedeutungsvoll für
mich.
Daher
liebe ich auch die klare beschreibende
und aufmerksam machende Feder mit der
Tusche, die keine Korrektur zuläßt,
sondern zur sofortigen sauberen Aussage
zwingt. Keine gegenstandslose, noch so
starke Abstraktion, kann auch bei bester
ideologischen Verbalisierung das Auge
als Tor zur Seele ansprechen
Viele Tagesereignisse oder literarische
Vorlagen haben mich zu Illustrationen
angeregt. So ist die
.. Wahl" symptomatisch für alle Wahlen
auf der Welt, egal in weichem System
oder zu welcher Zeit, sie hat überall
die gleichen Gesichtszüge. Um frei zu
sein bin ich nicht parteilich gebunden.
Die einzige Bindung war für mich immer
nur die Kunst und ihre Anliegen zum
Ersten, und zum Zweiten ihre Vermittlung
an die Jugend.
Mehrschichtige
Lehrtätigkeiten - im Gymnasium, an der
Kunstakademie Karlsruhe, im
Geographischen Institut der Universität
und in meinem Atelier beim Aktstudium -
sind eine zweite Seite meines Lebens.
Daher auch manchmal der geistige,
erhobene Zeigefinger, der aus meinen
Bildern ablesbar ist.
Heute bin ich im 62. Lebensjahr - und
noch kein bißchen weise ... - dafür aber
im Innern durch den Umgang mit der
Jugend und vielen Reisen in ganz Europa
und Nordafrika, jung geblieben. |

der
Künstler mit
seinen Musen, Öl, 90x116
|
Text: entnommen
aus dem Beitrag "Porträt"
in
der Zeitschrift für Visa
Magazin-Bezieher,
herausgegeben vom
Neuhaus Zeitschriften,
Verlags -mbH,
Berlin
Bild: Heimatbrief der Heimatfreunde e.V.
Ausgabe 36, 1997 |